Das Schalenmodell - ein einfaches Atommodell
Das im Folgenden beschriebene einfache Schalenmodell wird manchmal auch als "Bohrsches Atommodell" bezeichnet. Das ist so eigentlich nicht richtig, denn das folgende Modell ist sehr anschaulich und Niels Bohr hat als Physiker sein Modell eher mathematisch beschrieben. Da wir die Mathematik und auch die Physik hier weitestgehend auslassen, werde ich nicht vom Bohrschen Atommodell sprechen, obwohl es im Grunde eine anschauliche Beschreibung von Bohrs physikalischem Modell ist.
Über den Begriff des Modells habe ich ja schon beim einfachen Atommodell einiges geschrieben, deshalb werde ich hier nicht noch mal ausführen, wodurch sich Wahrheit und Modell unterscheiden.
Bausteine des Atoms
In unserem einfachen Schalenmodell sind Atome aus drei unteilbaren und unzerstörbaren Bausteinen aufgebaut, den Protonen, Neutronen und Elektronen. Für die Chemie sind vor allem die Elektronen wichtig.
Name | Masse | Ladung |
---|---|---|
Proton | 1u | positiv |
Neutron | 1u | neutral |
Elektron | 0,00055u | negativ |
Die Ladung von Proton und Elektron ist gleich groß, unterscheidet sich aber im Vorzeichen. Tatsächlich ist der Betrag dieser sogenannten Elementarladung 1,602·10-19C, beim Proton als positive Ladung und beim Elektron als negative Ladung. Der Name Elementarladung rührt daher, dass diese Ladung die kleinste übertragbare Ladungsportion ist. Diese Elementarladung ist unteilbar und untrennbar mit dem ebenfalls als unteilbar angenommenen Protonen bzw. Elektronen verbunden.
Die atomare Masseneinheit unit (u) hatte ich ja schon beim einfachen Atommodell beschreiben, weshalb ich hier nicht erneut darauf eingehe. Man sieht aber in der Tabelle, dass Protonen und Neutronen 1u wiegen und somit gleich "schwer" und viel schwerer als die Elektronen sind. Die Masse der Atome ergibt sich also näherungsweise richtig aus der Summe der Protonen- und Neutronenzahl. Die Elektronen können bei der Massenbestimmung vernachlässigt werden.
Aufbau der Atome
Die gerade beschriebenen Bausteine bilden zusammen das Atom aus Kern und Hülle. Der Atomkern besteht dabei aus Protonen und Neutronen und die Hülle aus Elektronen auf bis zu sieben Schalen.
Der Atomkern
Der Atomkern besteht aus Protonen und Neutronen und enthält somit fast die gesamte Masse des Atoms. Im Vergleich zum Atomdurchmesser, der etwa zwischen 64 und 550 pm liegt (je nach Atom), ist der Atomkern winzig klein. Verschiedene Quellen geben den Radius eines Protons mit weniger als 0,9fm (Femtometer) an. Damit wäre der Durchmesser eines Protons in etwa um den Faktor 100.000 kleiner als der des Atoms, wobei dieser Wert natürlich mit der Atomsorte variiert. Wikipedia gibt für das Neutron einen ähnlichen Durchmesser wie für das Proton an.
Protonenzahl und Atomsorte
Der Atomkern des einfachsten Atoms, des Wasserstoffs, besteht nur aus einem einzelnen Proton. Das Helium als Element Nummer zwei, enthält im Kern zwei Protonen, das Lithium als Element Nummer drei besitzt entsprechend drei Protonen im Kern. Das Element mit der Ordnungszahl 92, das Uran, hat demnach 92 Protonen im Kern.
Welches Element bzw. welche Atomsorte eine Atom bildet, hängt also nur von der Zahl der Protonen ab. Eine andere Protonenzahl bedeutet, dass es sich um ein anderes Atom und somit auch um ein anderes chemisches Element handelt. Die Ordnungszahl eines Elements im Periodensystem entspricht der Protonenzahl.
Neutronen als "Kleber"
Da Protonen positiv geladen sind, stoßen sie sich gegenseitig ab, denn gleiche Ladung stoßen sich ab. Damit sich trotzdem mehrere Protonen im vergleichsweise winzigen Atomkern befinden können, muss es etwas geben, dass dieser Abstoßung entgegen wirkt und den Kern somit stabilisiert. Ich will hier nicht auf die physikalischen Grundlagen der Kernbindungskräfte eingehen - schließlich soll das hier eine einfache und anschauliche Erklärung bleiben. Sehr stark vereinfacht kann man sich vielleicht vorstellen, dass die Neutronen eine Art Klebstoff mitbringen, der die Nukleonen, die Bestandteile des Kerns, also die Protonen und Neutronen, trotz der elektrostatischen Abstoßungskräfte zwischen den Protonen zusammen hält. Wenn ein Atom also mehr als ein Proton enthält, sind Neutronen nötig, damit der Kern nicht auseinander fliegt.
Die Zahl der Neutronen ist nicht so genau festgelegt. Für einen stabilen Atomkern sollte die Neutronenzahl aber normalerweise nicht geringer als Protonenzahl sein. Bei großen Atomen ist die Neutronenzahl etwas größer als die Protonenzahl. Die folgende Tabelle zeigt ein paar Beispiele
Element | Symbol | Protonenzahl | Atommasse | Neutronenzahl |
---|---|---|---|---|
Chlor | Cl | 17 | 35u | 18 |
Kohlenstoff | C | 6 | 12u | 6 |
Uran | U | 92 | 238u | 146 |
Helium | He | 2 | 4u | 2 |
Eisen | Fe | 26 | 56u | 30 |
Natrium | Na | 11 | 23u | 12 |
Isotopie
Da die Protonenzahl bestimmt, um welches Atom es sich handelt, kann sie nicht variieren, denn dann wäre es ein anderes Atom. Die Neutronenzahl ist hingegen nicht so streng festgelegt, weshalb es in der Natur von fast allen Atomen verschiedenen Varianten gibt, sogenannte Isotope, die sich in der Zahl der Neutronen und somit in der Masse unterscheiden. Zur Identifizierung nennt man häufig die Massenzahl vor dem Elementsymbol. 35-Cl meint also das Chlorisotop mit der Masse 35u. Die folgende Tabelle zeigt einige Beispiele für verschiedene Isotope.
Element | Symbol | Protonenzahl | Atommasse | Neutronenzahl |
---|---|---|---|---|
Chlor | Cl | 17 | 35u | 18 |
Chlor | Cl | 17 | 37u | 20 |
Kohlenstoff | C | 6 | 12u | 6 |
Kohlenstoff | C | 6 | 13u | 7 |
Kohlenstoff | C | 6 | 14u | 8 |
Brom | Br | 35 | 79u | 44 |
Brom | Br | 35 | 81u | 46 |
Der Kohlenstoff auf der Erde besteht zum überwiegenden Teil aus dem Isotop 12-C. Die beiden anderen Isotops machen nur einen sehr kleinen Anteil aus, weshalb Kohlenstoff in dern Periodensystemen dieser Welt mit einer Masse von 12,011u angegeben wird. Beim Chlor findet sich dagegen 35,45u. Eine solch "krumme" Atommasse ist ja eigentlich unmöglich, da die Masse der Elektronen so gering ist und die Protonen und Neutronen 1u wiegen. Deshalb dürfte es bei der Atommasse eigentlich nur näherungsweise ganzzahlige Vielfache von 1u geben. Dass die mittlere Masse der Chloratome 35,45u beträgt, liegt an der Isotopenverteilung. Etwa 75% aller Chloratome sind 35-Cl und etwa 25% sind 37-Cl. Nimmt man jetzt eine große Anzahl Chloratome und bestimmt ihre gemeinsame Masse, erhält man danach als durchschnittliche Masse eben genau die angegebenen 35,45u. Im Periodensystem wird also eine mittlere Atommasse angegeben, die die Isotopenverteilung berücksichtigt.
Die Hülle aus Schalen
Die Hülle des Atoms enthält die negativ geladenen Elektronen. Damit das Atom insgesamt ungeladen ist, muss die Zahl der Elektronen immer der Zahl der Protonen entsprechen und ist damit eben so groß, wie die Ordnungszahl des Elements im Periodensystem. In einem anschaulichen Modell könnte man sich vorstellen, dass die negativ geladenen Elektronen um den positiv geladenen Kern kreisen wie die Planeten um die Sonne. Allerdings sind die Umlaufbahnen der Elektronen genau festgelegt und Elektronen können sich niemals außerhalb dieser definierten Bahnen befinden. Zwischen der Hülle und dem Atomkern befindet sich leerer Raum. Aber Achtung: Man könnte es sich so vorstellen - physikalisch kann es aber so nicht sein. Es ist NUR ein Modell....
Die Hülle des Atoms besteht in unserem einfachen Modell aus sieben Schalen, in die unterschiedlich viele Elektronen passen. Die Schalen werden mit 1,2,3,...,7 bzw. K,L,M,...,Q bezeichnet und werden von innen nach außen mit Elektronen befüllt, wobei die 1. Schale am nächsten am Kern liegt und die 7. am weitesten davon entfernt ist.
Schale | Elektronen | |
---|---|---|
1 | K | 2 |
2 | L | 8 |
3 | M | 18 |
4 | N | 32 |
5 | O | 32 |
6 | P | 32 |
7 | Q | 32 |
Selbst wenn das Atom nur ein Elektron besitzen sollte, sind alle sieben Schalen im Grunde vorhanden, es ist nur kein Elektron auf der zweiten bis siebten Schale und damit ist dort dann nichts. Mit den Schalen ist es im Prinzip wie mit dem Mond auf seiner Umlaufbahn um die Erde: Wenn der Mond in diesem Augenblick gerade an einer Stelle nicht ist, ist dort nichts. Nur wenn der Mond da ist, erkennt man, dass dieser Platz auf der Mondumlaufbahn liegt. Auch bei den Schalen um den Atomkern ist es so: Wenn kein Elektron auf der Schale ist, ist da einfach nichts.
Atome mit maximal 18 Elektronen
Bis maximal 18 Elektronen ist die Welt ganz einfach. Die Schalen werden von innen nach außen mit Elektronen gefüllt, bis keines mehr übrig ist. Es kommen also zunächst zwei Elektronen in die erste Schale, dann 8 in die Zweite und schließlich 8 in die dritte Schale. Betrachten wir in paar Beispiele:
-
Wasserstoff (Ordnungszahl 1, Masse 1u):
1 Proton, kein Neutron, 1 Elektron in der ersten Schale - Sauerstoff (Ordnungszahl 8, Masse 16u): 8 Protonen, 8 Neutronen und 8 Elektronen von denen 2 in der ersten und 6 in der zweiten Schale sind
-
Schwefel (Ordnungszahl 16, Masse 32u):
16 Protonen, 16 Neutronen und 16 Elektronen von denen 2 in der ersten, 8 in der zweiten und 6 in der dritten Schale sind
Atome mit mehr als 18 Elektronen
Bei mehr als 18 Elektronen ist die Welt leider nicht mehr so einfach, da die äußeren Schalen sich teilweise überlappen (zumindest stellen wir uns das in diesem Modell so vor). Bei mehr als 18 Elektronen erfolgt die Besetzung der Schalen wie in der folgenden Tabelle:
Elektronen | in Schale |
---|---|
1 bis 2 | 1 |
3 bis 10 | 2 |
11 bis 18 | 3 |
19 bis 20 | 4 |
21 bis 30 | 3 |
31 bis 36 | 4 |
37 bis 38 | 5 |
39 bis 48 | 4 |
49 bis 54 | 5 |
55 bis 56 | 6 |
57 | 5 |
58 bis 71 | 4 |
72 bis 80 | 5 |
Wie man sieht, wird die Verteilung bei vielen Elektronen scheinbar sehr schnell sehr unübersichtlich. Der Grund für diese scheinbar willkürliche Verteilung der Elektronen und der damit verbunden Unübersichtlichkeit liegt in der Fehlerhaftigkeit unseres einfachen Schalenmodells. Es ist eben nur ein Modell und bei vielen Elektronen beschreibt es den Aufbau der Atome nur noch unzureichend. Für die Chemie ist allerdings die Verteilung der Elektronen auf die einzelnen Schalen im Detail nicht so wichtig. Entscheidend ist vor allem die äußerste Schale, zumindest vorerst...... und deshalb ist dieses einfache Schalenmodell gut geeignet das Verhalten der Atome in chemischen Reaktionen vorhersagen zu können.
Ionisierung und Ionisierungsenergie
Unter einem Ion versteht man ein elektrisch geladenes Atom oder Molekül, d.h. also ein Teilchen, bei dem Protonen- und Elektronenzahl nicht gleich sind. Um aus einem ungeladenen Atom ein Ion zu machen könnte man also entweder die Protonen- oder die Elektronenzahl ändern. Aufmerksame Leser werden bereits ahnen, dass die Protonenzahl nicht verändert werden kann. Da die Elektronen die Hülle des Atoms bilden, sollte es möglich sein, einzelne von ihnen zu entfernen. Weil der Kern aus den positiven Protonen die negativen Elektronen anzieht, ist zum entfernen eines oder mehrerer Elektronen Energie nötig - die Ionisierungsenergie.
Vermutlich dürfte es schwieriger sein, einem Atom das zweite Elektron weg zu nehmen als das Erste. Deshalb ist die Ionisierungsenergie für das erste Elektron, die 1. Ionisierungsenergie, kleiner als die 2. Ionisierungsenergie zur Wegnahme des zweiten Elektrons und die ist wiederum kleiner als die 3. Ionisierungsenergie. Eigentlich logisch, denn bei der Wegnahme des ersten Elektrons ist der Rest des Atoms davor neutral und danach insgesamt einfach positiv geladen. Für das zweite Elektron ist das Atom vorher bereits einfach positiv und hinterher zweifach positiv. Die zu überwindende Anziehungskraft des Kerns auf das Elektron sollte also etwa doppelt so groß sein, wie für das erste Elektron. Damit sollte auch die 2. Ionisierungsenergie in etwa doppelt so groß sein, wie die Erste..... aber stimmt das?
Alle im Folgendeen verwendeten Iosnisierungsenergie habe ich am 17.12.2019 auf Wikibooks gefunden. Für die Ionisierung des Magnesiums fand sich dort der folgende Energiebedearf.
Mg → Mg+ erfordert 7,6 eV (1. Ionisierungsenergie)
Mg+ → Mg2+ erfordert 15,0 eV (2. Ionisierungsenergie)
Die zweite Ionisierungsenergie ist also fast genau doppelt so hoch wie die Erste - genau wie man es wegen der doppelt so hohen Ladung des erhaltenen Ions erwarten sollte.
Weiterhin sollte man annehmen, dass Elektronen, die sich auf weiter innen liegenden Schalen, also näher am Kern befinden, schwerer zu entfernen sind. Die Ionisierungsenergie für Elektronen auf weiter innen leigenden Schalen sollte also höher sein.
Vergleicht man die erste Ionisierungsenergie von Atomen mit immer gleich vielen Elektronen auf der äußersten Schale aber verschieden weit außen liegenden äußeren Schalen, findet man die obigen Erwartungen ebenfalls bestätigt. Nehmen wir Atome mit einem Elektron auf der äußersten besetzten Schale und betrachten die erste Ionisierungsenergie, finden wir folgendes:
1. Schale: H → H+ erfordert 13,6 eV
2. Schale: Li → Li+ erfordert 5,4 eV
3. Schale: Na → Na+ erfordert 5,1 eV
Erwartungsgemäß nimmt also die erste Ionisierungsenergie ab, wenn sich das zu entfernende Elektron weiter vom Kern entfernt befindet.
Diese sehr einfache Vorhersehbarkeit der Ionisierungsenergie hört jedoch scheinbar irgendwann auf, wie man dem Diagramm zur vollständigen Ionisierung ausgewählter Atome entnehmen kann.
Betrachtet man das Diagramm, fällt auf, dass beim Kohlenstoff nach der vierten Ionisierung ein sprunghafter Anstieg der Ionisierungsenergie erfolgt, beim Stickstoff ist der Sprung nach der fünften Ionisierung, beim Sauerstoff nach der Sechsten und beim Neon nach der achten Ionisierung. Der sprunghafte Anstieg der Ionisierungsenergie tritt also immer dann auf, wenn bei einem Element mit teilweise besetzter zweiter Schale das letzte Elektron entfernt wurde und als nächstes ein Elektron aus der ersten Schale abgespalten werden müsste.
Wenn also bei der Wegnahme von Elektronen eine "neue Schale angebrochen wird", steigt die Ionisierungsenergie sprunghaft an. Den gleichen Effekt findet man auch bei größeren Atomen und zwar immer dann, wenn man aus einer mit acht Elektronen gefüllten Schale ein Elektron entfernen will.
Aus dieser Erkenntnis leitet sich die Oktettregel oder auch Edelgasregel ab. Diese empirische Regel besagt, dass eine mit acht Elektronen befüllte Schale einen besonders stabilen Zustand darstellt. Da dies genau die Elektronenverteilung ist, die man bei den Edelgasen findet, den Elementen der achten Hauptgruppe des Periodensystems, wird dieser Regel auch Edelgasregel genannt.
Ein Atom, dass durch Elektronenabgabe oder -aufnahme die gleiche Elektronenverteilung wie das ihm im Periodensystem am nächsten stehende Edelgas erreicht hat, befindet sich in einem besonders stabilen Zustand.